04.07. Litauen

Eigentlich wollte ich heute vom den Bademeistern von Goldap erzählen, aber ich bin gerade leicht geflasht, von dem Ort an dem ich heute angekommen bin. Ich sitze in einem Campingplatz-Restaurant am Wystiter See, in Litauen, leicht erhöht über dem See, draußen stürmt es, der Wind treibt die Schaumkronen über das Wasser und die Brandung schlägt an den Kiesstrand. Das Restaurant ist ein Holzbau mit bodentiefen Fenstern in Richtung See. Vor den Fenstern bewegen sich die verschiedenen Strandgräser rhythmisch im Wind. Ab und an reißt die Wolkendecke auf und die Sonne strahlt durch und beleuchtet einen kleinen Teil vom See, der dann glitzert wie flüssiges Gold, oder sie strahlt in die Wälder am gegenüberliegendem Ufer, wie ein großer Himmelsscheinwerfer. Der kleine Speiseraum mit sechs Tischen, ist oberhalb der Fenster voll gestopft mit Fellen, ausgestopften Greifvögeln und Köpfen von Rehen und Hirschen. Hier drinnen ist es angenehm warm, von draußen hört man den Wind um die Hausecken wehen und die Regenschauer prasseln gegen die Fenster. 300 Meter vom Strand entfernt, stehen Bojen im Wasser, leicht geneigt durch den Wind, aber unübersehbar. Je eine rote und eine neongelbe, ein paar Meter von einander entfernt. Die Grenze, die gerade die Welt teilt, in Gut und Böse. Auf dem gegenüberliegende Ufer, in ca. 3 Kilometern Entfernung kann ich deutliche die russische Flagge im Wind sehen. Seit dem Beginn meiner Reise, habe ich noch keinen Ort erlebt, der mich so entspannt und in seinen Bann gezogen hat. Ich habe das Gefühl, dass ich hier stundenlang sitzen und rausschauen könnte.  Ich glaube, dass es das ist was ich gesucht habe, einen Sehnsuchtsort den ich noch nicht kannte.

Was kann ich noch zu Litauen schreiben? Nicht viel, aber das was ich auf den ersten 10 Kilometern erlebt habe, war besser als die letzten 50 in Polen. Ich fühle mich ein wenig erleichtert durch Polen durch zu sein. Ich habe nette Menschen in Polen getroffen. Die beiden Biker mit denen ich mich immer verfahren habe, oder der Biker aus Danzig der praktisch ohne Gepäck bis nach Vilnius fahren wollte, mal eben so. Oder auf meinem Ausruh-Campingplatz, die drei Frauen aus Warschau (Autokennzeichen) mit denen ich nicht ein Wort gesprochen habe, wir uns aber über die Distanz sehr gut über die anderen Campingäste verständigen konnten. Ich gehe davon aus, dass es viele sehr nette Polen gibt, aber ich habe mich in dem Land nicht so richtig wohl gefühlt. Die ersten Kilometer hier, waren für mich wie eine Erholung. Die Währung versteh ich wieder (ich werde wohl alt) und die drei ersten Menschen die ich bis jetzt gesprochen habe, sprechen ein so gutes Englisch, dass man neidisch werden kann. Ich glaube, dass ist auch der Grund, warum ich diesen Ort am See so faszinierend finde, er erinnert mich an meine USA-Reise mit 15 Jahren. Damals war ich auch an mehreren großen Seen und war jedesmal beeindruckt von der Größe und dem besonderem Licht. 

Mittlerweile hat der Wind stark nachgelassen und die Regenschauer sind weggeblasen worden. Vor den Fenstern tanzen die Mücken in großen Schwärmen im Abendlicht und die Sonne hat sich unter der Wolkendecke durchgeschoben und taucht den See und den Platz in ein warmes gemütliches Abendlicht. Ich genieße diesen Abend sehr.   

4 Kommentare

  1. Hallo Renn, das wollte ich auch schreiben – ich freue mich so, dass du diesen Sehnsuchtsmoment an diesem Sehnsuchtsort gefunden hast – es war total schön, das zu lesen ❤️😘

  2. Hallo, Rainer!
    Wie schön, dass Du so einen wunderbaren Ort gefunden hast!
    Das stürmische Wetter ist für Dich hoffentlich Rückenwind. 😀 Wir mussten auf Bornholm gegenankämpfen (nun habe ich mal wieder die Erfahrung bestätigt bekommen, dass Gegenwind übler ist als ein Berg).
    Wir lesen Deinen Blog sehr gern! Vor allem Deine Begegnungen mit den Menschen vor Ort finde ich spannend.
    Herzliche Grüße, auch von Andreas
    Verena

    • Hallo Verena,
      Lieben Dank für deinen Kommentar.
      Ja ich weiß wovon du sprichst. Heute hatte ich auf den „letzten“ 60 Kilometer Gegenwind.
      Die letzten zwei Tage waren wieder voll mit neuen Menschen, die ich getroffen habe und darüber muss ich erst mal nachdenken, wie ich das alles verarbeiten, aufschreiben, erzählen kann.
      Gruß Rainer

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